
So einen "Handy-Vertrag" abzuschließen ist nicht unbedingt schwierig, oder? Hier mein Perso, ja ich will, Klick, Klick, Klick, fertig. Und jeder hat einen. 90er: Jeder will einen - und es ist maximal schwierig 😉
Zur Kolumne "Saturn, 90er, PC-Abteilung"
Mitte der 90er nahm der Handy-Boom langsam Fahrt auf. Es waren nicht mehr nur ein paar Klischeebonzen mit Autotelefon (sic!) zu sichten, sondern auch erste superwichtige Manager-Typen. Und meine Fresse sah das dämlich aus, wenn so Leute zu der Zeit in der Öffentlichkeit telefonierten - der unausgesprochene, allgemeine Tenor: Oh, Mister Wichtig muss wohl seinen Golftermin umlegen ... Und ja, es waren anfangs wohl vor allem männliche leitende Angestellte.
Ende der 90er sah es aber schon anders aus, alle wollten mobil telefonieren, und Snake spielen. Problem: Handys waren teuer und die fast ausschließlich angebotenen 2-Jahres-Verträge noch teurer.
Und dann noch in der Provinz ...
Typisches Wochenende
In der letzten Episode sprach ich von Promotern. Für Handys gab es bei uns, und eigentlich überall, einen separaten Stand für Handys. Montags bis Mittwochs war das das Reich des Kollegen Kalli, mit mäßig viel Andrang.
Donnerstags bis Samstags waren fast immer Promoter da - und ein riesiger Andrang. Natürlich mit diesen nervigen Handy-Alarmanlagen, die anschlagen, sobald Kunden ein Handy auch nur schief angeguckt haben ... Gar nicht nervig. Und ständig dieselbe Frage nach der Netzabdeckung, die damals im Sauerland reichlich lückenhaft war. Und ich meine damit nicht "nur zwei Balken an dem einen Ort", sondern schlicht kein Netz auf etlichen Kilometern.
Promoter belabern also die vielen Interessierten und ab und an hieß es dann: Kunde will Vertrag. Das konnten die Promoter aber nicht selbst erledigen, das musste jemand vom Laden machen.
Dafür ging's dann ab ins Kabuff: Ein wirklich winzig kleiner (Abstell-) Raum, ziemlich vollgestellt, Tisch, 2 Stühle, grauer Desktop-Computer und noch ein Bürostuhl. Und dann mussten die Kunden erstmal ihre Liquidität darlegen.
Kein Scherz! Wir haben die letzten drei Gehaltsabrechnungen und Ausgaben begutachtet, waren live mit der Schufa verbunden und haben dann Daumen hoch oder runter weitergeben können. Und oha, was habe ich da für Fälle gesehen. Ich erinnere mich an ein Paar, das Gehaltsabrechnungen und eine Ausgabenaufstellung mitgebracht hatte. Unterm Strich hätten sie sich Handy und Vertrag leisten können - was aber zu einem monatlichen Rest-Haben von ein paar Mark geführt hätte.
Und ganz ehrlich: Ja, heute ist ein Smartphone etwas Essenzielles. Aber wer 1997 wortwörtlich die letzten, eh schon winzigen Reserven für einen Mobilvertrag ausgeben wollte, musste schon nicht ganz rund laufen. Erfreulicherweise hat die Schufa das meist auch so gesehen, die Mobilfunkanbieter haben sich an deren Einschätzung gehalten und wir konnten eh nur die Entscheidung weitergeben.
Im Kabuff, an oft völlig entsetzte Menschen.
Und jetzt Ihr: Würdet Ihr Mobilfunkanbietern heutzutage gerne Gehaltsabrechnungen und Ausgabenaufstellungen überreichen? Oder liegen all diese Infos eh schon im Hintergrund vor und werden automatisch abgeglichen? Egal, wenigstens sieht man heute nicht mehr bescheuert aus, wenn man in der Öffentlichkeit telefoniert. Nun, nicht, wenn man versteht, warum die Öffnungen für Ein- und Ausgabe von Audiosignalen recht gut die Örtlichkeiten von Mündern und Ohren interpretieren ...
Und in der nächsten Woche wird es eines nicht: Gemütlich. Oder sommerlich. Es geht ab in den Winter, die Weihnachtszeit - freut Euch auf eine Horror-Episode.